16. April 2020
Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Fassung von Gesellschafterbeschlüssen außerhalb von Versammlungen in der GmbH für das Jahr 2020 erleichtert. Die Neuerungen kommentiert THEOPARK-Partner Gernot Giesecke.
Grundsatz: Beschlüsse in Versammlungen zu fassen
Das GmbH-Gesetz sieht als Grundsatz vor, dass Beschlüsse der Gesellschafter in (Präsenz-)Versammlungen gefasst werden, um das Partizipationsinteresse jedes einzelnen Gesellschafters zu wahren. Jeder Inhaber von Geschäftsanteilen soll in die Entscheidungsfindungsprozesse der Gesellschaft – sofern diese nicht der Geschäftsführung zugewiesen sind – insbesondere durch die persönliche Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen und die Möglichkeit, sich darin zu äußern, mit den anderen Gesellschaftern zu diskutieren, Fragen zu stellen und sodann an den Beschlussfassungen teilzunehmen, unmittelbar eingebunden werden. Der Abhaltung einer Versammlung bedarf es gemäß § 48 Abs. 2 GmbHG nur dann nicht, wenn sämtliche Gesellschafter in Textform sich mit der schriftlichen Abgabe der Stimmen einverstanden erklären.
Neuerung: Geschäftsführung kann Beschlussfassung in Textform festlegen
Durch das neue Gesetz zur Covid-Pandemie gilt nun abweichend von § 48 Abs. 2 GmbHG, dass Beschlüsse der Gesellschafter in Textform oder durch schriftliche Abgabe der Stimmen auch ohne Einverständnis sämtlicher Gesellschafter gefasst werden können. Das bedeutet konkret, dass die Geschäftsführung auch ohne eine entsprechende Regelung in der Satzung die Beschlussfassung in Textform innerhalb einer bestimmten Frist anordnen kann. Selbst wenn nicht sämtliche Gesellschafter dieser Form der Abstimmung zustimmen oder sich an ihr beteiligen, kann ein Beschluss auf diese Weise ohne Rechtsfehler gefasst werden. Die Anordnung einer Beschlussfassung in Textform ist auch dann zulässig, wenn die Satzung der Gesellschaft vorsieht, dass Beschlüsse der Gesellschaft generell im Rahmen einer Gesellschafterversammlung gefasst werden, oder wenn die Satzung dies nur für bestimmte Beschlussgegenstände festlegt.
Ausnahme 1: Strukturmaßnahmen nach dem Umwandlungsgesetz
Eine Ausnahme gilt aber weiterhin für tiefgreifende Strukturmaßnahmen wie Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz. In diesen Fällen regelt das Umwandlungsgesetz ausdrücklich, dass Beschlüsse über diese Maßnahmen in einer Gesellschafterversammlung zu fassen sind. Diese gesetzlichen Regelungen wurden durch das neue Gesetz nicht geändert.
Ausnahme 2: Videokonferenzbeschlüsse nur bei schriftlicher Bestätigung wirksam
Wie eine Beschlussfassung in Textform konkret ablaufen soll, lässt das Gesetz offen. Nach den ersten Bewertungen in der juristischen Fachliteratur ändert das Gesetz aber nichts daran, dass eine Beschlussfassung ohne Präsenzversammlung in Form von Telefon- oder Videokonferenzen nur dann rechtlich zulässig ist, wenn eine solche Möglichkeit in der Satzung der GmbH ausdrücklich zugelassen ist. Denn die Abhaltung einer Telefon- oder Videokonferenz kommt der Abhaltung einer Präsenzversammlung sehr nahe; das neue Gesetz regelt aber nur Beschlüsse, die außerhalb von Präsenzversammlungen gefasst werden. Aber auch nach dieser vorsichtigen Auslegung des neuen Gesetzes ist eine Beschlussfassung im Rahmen einer Tele- oder Videokonferenz möglich: Die Tagesordnungspunkte können per Video oder telefonisch beraten werden und eine Abstimmung stattfinden. Anschließend wird das Abstimmungsergebnis separat schriftlich festgehalten und von allen Gesellschaftern unterzeichnet (sog. kombinierte Beschlussfassung). Die Zulässigkeit eines mit diesem letzten Schritt abschließenden Verfahrens ist in der Praxis seit langem anerkannt und wird damit begründet, dass dieser Fall der nach § 48 Abs. 2 GmbHG zulässigen Einigung auf schriftliche Stimmabgabe oder einheitliche Stimmabgabe in Textform gleichkommt.
Geltung der Ausnahmeregelung
Die Ausnahmeregelung ist am 28.3.2020 in Kraft getreten und gilt zunächst für alle Gesellschafterversammlungen, die bis zum 31.12.2020 abgehalten werden. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz kann die Geltung bis längstens 31.12.2021 ausweiten, wenn dies aufgrund fortbestehender Auswirkungen der COVID-19-Pandemie geboten erscheint.
Fazit
Das Gesetz stellt eine sinnvolle Regelung in Zeiten von Kontaktbeschränkungen dar. Aufgrund des einschneidenden Charakters in das Teilnahmerecht der Gesellschafter an Versammlungen sollte es aber auch nur solange gelten, wie es die Situation virusbedingt zwingend erfordert. Für die Geschäftsführer von Gesellschaften mit beschränkter Haftung gilt deshalb, dass sie auf Basis des neuen Gesetzes anstelle der Einladung zu einer Präsenz-Gesellschafterversammlung die Abstimmung über Beschlussgegenstände in Textform anordnen können. Erfolgt die Beschlussfassung nach Versammlungsdurchführung in Form einer Telefon- oder Videokonferenz, ist dies auch ohne eine entsprechende Regelung in der Satzung möglich, wenn (i) das Abstimmungsergebnis zum jeweiligen Beschlussgegenstand schriftlich festgehalten und (ii) im Anschluss von allen Gesellschaftern unterzeichnet wird.
Ansprechpartner:
Gernot Giesecke, Rechtsanwalt, Partner
THEOPARK Rechtsanwälte und Steuerberater Part mbB
Tel.: +49 (9 11) 50 96 17 20 | E-Mail: gernot.giesecke@theopark.com