24. Mai 2018
Ein ständig wiederkehrendes Thema im Bereich der gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten ist die Behandlung von Beschlussmängeln. Im Folgenden beleuchtet THEOPARK-Partner Gernot Giesecke, wo derartige Streitigkeiten einzuordnen sind, wie sie rechtlich behandelt werden und welche konkreten Maßnahmen ein Gesellschafter in einem solchen Fall ergreifen kann.
1. Was ist eine Beschlussmängelstreitigkeit?
Die Regelung rechtlicher Verhältnisse innerhalb einer Gesellschaft erfolgt neben dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung in erster Linie über Gesellschafterbeschlüsse. Für Gesellschafter, die bei der Beschlussfassung überstimmt wurden, stellt sich nun nicht selten die Frage, welche Schritte sie ergreifen können, um gegen den Beschluss vorzugehen.
Hierfür ist entscheidend, ob die Beschlussfassung oder der gefasste Beschluss gegen Gesetz oder Gesellschaftsvertrag / Satzung verstoßen. Sogenannte „Beschlussmängel“ ergeben sich beispielsweise, wenn Fehler bei der Einberufung oder Durchführung der Gesellschafterversammlung gemacht werden, Zuständigkeitskompetenzen außer Acht gelassen werden oder der Inhalt des Beschlusses gegen gesetzliche Verbote, vertragliche Vereinbarungen oder auch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt.
2. Beschlussmängelstreitigkeiten in Kapitalgesellschaften
Eine gesetzliche Regelung zu Beschlussmängelstreitigkeiten findet sich nur im Aktienrecht. Dort ist kodifiziert, dass zunächst zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen differenziert werden muss.
Bei nichtigen Beschlüssen ist der Mangel so gravierend, dass Rechte Dritter oder die allgemeine Rechtssicherheit gefährdet werden. Dies ist beispielsweise bei sehr schweren Sittenverstößen oder schweren Einberufungsmängeln der Fall. Grundsätzlich kann die Nichtigkeit von jedermann geltend gemacht werden. Anfechtbare Beschlüsse hingegen bedürfen einer besonderen Geltendmachung durch Anfechtungsbefugte – regelmäßig wurde bei derartigen Beschlüssen „nur“ die interne Verbandsordnung der Gesellschaft verletzt. Bei erfolgreicher Anfechtung sind diese Beschlüsse nichtig, ansonsten bleiben sie wirksam.
Im Aktienrecht ist diese Beschlusskontrolle in den §§ 241 ff. AktG geregelt. Für die Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit bestimmter Beschlüsse, wie beispielsweise der Aufsichtsratswahl, gelten Sondervorschriften.
Dieses Grundkonzept ist im Grundsatz auf die Gesellschaft mit beschränkter Haftung übertragbar, soweit nicht Besonderheiten der GmbH Abweichungen erfordern. Auch hier wird zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit unterschieden. Ein Beschluss ist bei sehr gravierenden Mängeln, beispielsweise bei Einberufungsmängeln oder inhaltlichen Sittenverstößen, nichtig. Er ist anfechtbar, wenn er sonst gegen das Gesetz oder die Satzung verstößt. Als Beispiele können Verstöße gegen die Treubindung, insbesondere gegen die Bindung an den Gesellschaftszweck oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung genannt werden.
Gesetzlich nicht näher geregelt sind Fälle, in welchen der Gesellschafterbeschluss unwirksam ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Gesamttatbestand für die Wirksamkeit des Beschlusses unvollständig ist, beispielsweise wenn notwendige Zustimmungserklärungen von Gesellschaftern (z.B. nach § 53 GmbHG) fehlen. Hier liegt ebenfalls ein „Beschlussmangel“ vor, welcher durch Einrede oder Klage geltend gemacht werden kann, wenn ein Feststellungs- und Rechtsschutzinteresse vorliegt. Er kann aber nicht in obigem Sinne angefochten werden.
3. Beschlussmängelstreitigkeiten in der Personengesellschaft
In Bezug auf Personengesellschaften (z.B. GbR, oHG oder Kommanditgesellschaft) finden sich keine gesetzlichen Vorschriften zu einer Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Fehlerhafte Beschlüsse sind von Anfang an unwirksam und damit nichtig. Dies gilt unabhängig davon, ob der „Beschlussmangel“ eine Außenwirkung hat, wie z.B. bei der Verletzung von Gläubigerschutzvorschriften, oder nicht. Ausnahmen können sich ergeben, wenn lediglich Verfahrensvorschriften verletzt wurden.
Die obigen aktienrechtlichen Grundsätze sind nach herrschender Meinung bei Personengesellschaften nicht heranzuziehen, da die Unterschiede zu Kapitalgesellschaften zu groß sind.
Liegt der Mangel in der Stimmabgabe an sich, war also beispielsweise ein Gesellschafter nicht geschäftsfähig oder unterlag er einem Irrtum, so sind die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte aus dem BGB heranzuziehen. Ein solcher Fall ist damit grundsätzlich in gleicher Art zu beurteilen wie beispielsweise ein Angebot im Rahmen eines Kaufvertrages.
4. Durchsetzung in der Praxis
Praktisch betrachtet muss ein Aktionär, um den mangelhaften Hauptversammlungsbeschluss einer Aktiengesellschaft anzufechten, innerhalb eines Monats Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft im Sinne des AktG vor dem zuständigen Landgericht erheben. Hierzu befugt sind Aktionäre, die ihren Widerspruch zu Protokoll erklären oder gar nicht erst korrekt zur Hauptversammlung geladen wurden. Die Nichtigkeit eines Beschlusses dagegen kann durch Aktionäre über eine, außer im Falle der Verwirkung, unbefristet mögliche Nichtigkeitsklage festgestellt werden. Darüber hinaus kann im Grundsatz auch jeder Dritte über eine allgemeine Feststellungsklage die Nichtigkeit des Beschlusses feststellen lassen, wenn er hieran ein besonderes Interesse hat.
Bei Beschlussmängeln der Gesellschafterversammlung einer GmbH gilt Ähnliches. Handelt es sich um einen Beschlussmangel, der keinen Nichtigkeitsgrund darstellt, so ist nach ständiger Rechtsprechung eine Anfechtungsklage gegen die Gesellschaft nach den Grundsätzen des Aktienrechts möglich. Hier gilt es nach höchstrichterliche Rechtsprechung, eine „angemessene Frist“ einzuhalten, angelehnt am Vorbild der aktienrechtlichen Frist. Oft wird in Satzungen daher präzisierend eine konkrete „Anfechtungsfrist“ von ein bis zwei Monaten vereinbart.
Bei dem Vorliegen von Nichtigkeitsgründen kann Nichtigkeitsklage, ebenfalls nach aktienrechtlichem Vorbild, grundsätzlich ohne gesetzliche Fristbindung erhoben werden.
Da bei Personengesellschaften davon auszugehen ist, dass ein fehlerhafter Beschluss grundsätzlich nichtig ist, ist auch kein besonderes Verfahren zur Geltendmachung von Beschlussmängeln vorgesehen. Dennoch ist es ratsam, gegenüber Mitgesellschaftern, welche an dem Beschluss festhalten wollen, zu Dokumentationszwecken eine schriftliche Beanstandung mit Aufforderung zur Nichtigkeitsanerkennung vorzunehmen.
Darüber hinaus kann, grundsätzlich von jedermann mit Feststellungsinteresse, eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des beanstandeten Beschlusses erhoben werden. Klagegegner ist hierbei – anders als bei den Kapitalgesellschaften – nicht die Gesellschaft, sondern sind diejenigen Gesellschafter, die einer Anerkennung der Unwirksamkeit oder Nichtigkeit entgegenstehen. Gesellschaftsvertragliche Regelungen, welche die Gesellschaft selbst als Klagegegner vorsehen und gewisse „Ausschlussfristen“ festlegen, sind möglich.
4. Fazit
Kam es bei der Beschlussfassung in der Haupt- oder Gesellschafterversammlung zu einem Mangel, hängt es von der Gesellschaftsform ab, wie Gesellschafter gegen den Beschluss vorgehen können. Während die Rechtslage in Kapitalgesellschaften hierzu relativ einheitlich den spezialgesetzlichen Regeln des Aktiengesetzes folgt, werden bei Personengesellschaften nach bisher herrschender Meinung die allgemeinen Regeln des BGB und der ZPO angewandt.
In der Praxis hängt der Erfolg einer Nichtigkeits-, Anfechtungs- oder Feststellungsklage zumeist davon ab, ob tatsächlich die entsprechenden Gründe für einen Mangel vorliegen und die entsprechenden Fristen zur Klageerhebung eingehalten wurden. Details können hier von großer Relevanz sein. Um Fehler und daraus resultierende Rechtsverluste zu vermeiden, sollte unbedingt spezialisierte und qualifizierte anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, will man als Gesellschafter – insbesondere gerichtlich – gegen einen Beschluss vorgehen.